Die linke verkehrte Hand und der Kreuzversatz

Die linke verkehrte Hand ist im Dolchfechten einer der Standardversätze, viele Techniken in den Handschriften werden aus diesem Versatz heraus ausgeführt.
Zumindest scheint es so, wenn auf den Abbildungen zu sehen ist das der gegnerische Arm mit der linken verkehrten Hand ergriffen wurde.
Deshalb ging ich ursprünglich davon aus das es sich dabei um einen relativ einfachen Versatz handelt, den ein jeder, unabhängig von Statur und Kraft ausführen kann.
Als wir jedoch damit begannen mit immer mehr Druck zu trainieren, stellte ich fest das es ganz so einfach nicht ist.
Auf der anderen Seite war da der Versatz mit gekreuzten Händen. Er wird von den Verfassern vieler Fechthandschriften erwähnt. Jedoch empfand ich ihn lange Zeit als so lala. Funktioniert zwar, aber so richtig begeistern konnte mich der Versatz nicht. Ich empfand es als suboptimal beide Hände gleichzeitig für den Versatz zu nutzen. Und damit auf ein unabhängiges Arbeiten meiner beiden Hände zu verzichten. Aber wie schon oben gesagt, mit steigendem Druck im Training musste ich beides neu überdenken.

Zunächst zur linken verkehrten Hand: Als wir noch ausschließlich kooperativ mit einander trainiert haben, reichte es den Arm aufzuwerfen um den Oberstich aufzuhalten und den Arm zu greifen. Als wir die Intensität der Angriffe dann steigerten, merkten wir das es nur bedingt ausreicht.
Ist der Angreifer uns an Masse und Kraft unterlegen, reicht es aus einfach nur den Arm gegen seinen Stich aufzuwerfen. Ist der Angreifer uns jedoch gleich an Masse und Kraft, oder hat sogar noch ein wenig mehr davon, müssen wir alles dagegen setzen was wir haben.
Dazu muss die Kraft für den Versatz aus dem gesamten Körper geholt werden. (In Hans Talhoffers Cod. Icon. 394A kann man an der Darstellung der Oberhut sehen wie der Körper nach rechts eingedreht ist, um Vorspannung für den Versatz aufzubauen. Um dann im Versatz die Hüfte voll mit einsetzen zu können.) Tritt man im Versatz ein Stück nach links aus der Linie heraus, legt man auch noch das eigene Körpergewicht mit hinein.
Im Idealfall bringt uns der Tritt nach links aus der Angriffslinie heraus. So das wir anschließend in einem Winkel zu dem Angreifer stehen, der uns ein Eintreten und Ringen erlaubt.
Im Idealfall deshalb, weil das nur bis zu einem gewissen Masseverhältnis von Verteidiger / Angreifer funktioniert.
Aber auch mit vollem Körpereinsatz ist irgendwann Schluss, und es reicht nicht mehr. Ist es uns bei einem Stich durch einen uns körperlich etwas an Masse überlegenen Angreifers schon nicht mehr möglich nach links raus zu treten – fegt ein wesentlich an Masse überlegener Angreifer unseren Versatz mit seinem Stich einfach hinweg, und der Stich geht ins Ziel.

Es ist also nicht sehr erfolgversprechend den Oberstich eines körperlich überlegenen Angreifers mit der linken, oder auch rechten verkehrte Hand versetzen zu wollen.

An der Stelle kommt der Kreuz Versatz ins Spiel. Zwar bündelt der unsere beiden Hände am Waffenarm des Angreifers. Dafür ermöglicht er es uns jedoch dem Angriff die vereinte Kraft beider Arme entgegenzusetzen.
Da der Kreuzversatz sowohl die linke, also auch die rechte verkehrte Hand beinhaltet, kann man nach dem Blocken des Stichs je nach gegnerischem Druck mit Techniken aus der linken, oder rechten verkehrten Hand weiter machen.

Möchte ich damit sagen das die verkehrte Hand uneffektiv ist und man sich statt dessen lieber auf den Kreuzversatz konzentrieren sollte? Nein, möchte ich nicht. Die verkehrte Hand ist ein toller Versatz. Man sollte nur nicht blind ein Werkzeug wählen weil man es gewohnt ist, oder man es mag. Sondern man sollte stets ein geeignetes Werkzeug wählen.